· 

Buchtipps gegen Fernweh

Alle gesammelten Buchtipps findet ihr hier.

Mit Reise- und Abenteuerliteratur fängt es an. Bestimmungsbücher und erlebnispädagogische Fachliteratur werden folgen.

 

Der erste Schwung führt gleich zweimal nach Kanada, mitten über den Atlantik und zu den Geheimnissen der Britischen Inseln.

Mit Rucksack, Flinte und Paddel - Berichte aus fernen Landen

John Lewis-Stempel: Mein Jahr als Jäger und Sammler

Was es wirklich heißt, von der Natur zu leben

(Verlag Dumont, ISBN: 978-3-8321-8385-1)

 

Der Autor entscheidet sich ein Jahr lang nur von dem zu leben, was er auf seinem Farmland an der Grenze zwischen England und Wales sammeln und jagen kann. Lewis-Stempel arbeitete als Journalist in London und hat bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht (nur ein Bruchteil ist auch auf deutsch erschienen), doch er ist keineswegs ein typischer Großtadtaussteiger, sondern Landwirt mit Leib und Seele.

Als die Renovierung eines verfallenen Bauernhofes ihn und seine Familie in Existenzsorgen stürzt, entschließt er sich zu seinem Jahr als Jäger und Sammler und macht sich Tag für Tag mit Sammeleimer und Flinte auf die Suche nach Beute.

Einen beträchtlichen Teil des Buches nehmen seine Rezepte ein – vom Grauhörnchenburger bis zum Klettenbier nutzt er nur Zutaten aus seinen Hecken und Wiesen, angelt im Fluss, pflückt Haselnüsse und Schlehen und schreckt auch vor überfahrenen Rebhühnern nicht zurück. Die Jagd- und Naturschutzbestimmungen stellen ihn immer wieder vor persönliche Zerreißproben. Ebenso der Alltag mit Frau und Kindern, die ihn zwar unterstützen, aber gleichzeitig nicht jedes ausgeweidete Kaninchenbalg auf dem Küchentisch gutheißen.

Zwischen dem freiwillig gewählten Kampf ums Überleben schildert Lewis-Stempel allerlei vergessene englische (Ernährungs-)Gewohnheiten, stöbert in der Geschichte seiner Familie oder der Dörfer im Herefordshire und schreibt mit einem Wechsel aus Euphorie und Frust, wie er wohl nur möglich ist, wenn man einen Schluck Löwenzahnkaffee nach stundenlangem Beerenpflücken als Luxus empfindet.

 

 

Irmin Burdekat / Christian Pfaff: Hast du mal die Kanuschlüssel? 

Zwei Outdoor-Amateure in Kanadas Wildnis

(Verlag Malik, ISBN: 978-3-492-40425-9)

 

Die beiden deutschen Autoren sind Künstler aus der Stadt. Ihr Ziel: Ein riesiges, symbolträchtiges Relief auf einen Felsen in Kanada zu meißeln. Wie der ironische Buchtitel schon verrät, sind die Zwei keineswegs erfahrene Wildnisspezialisten und erleben auf der Suche nach einer geeigneten Insel im Lake Huron ihre ersten Begegnungen mit Kanu, Klapperschlange und Schwarzbär.

Heiter geschrieben und andere Beweggründe für ein Abenteuer als die typischen Selbstfindungs- / Selbstbehauptungs- oder Forschungsziele vieler anderer Wildnisschriftsteller.

Für mich die Erkenntnis, dass das Nordufer von Lake Huron viel felsiger und wilder ist, als die matschige Südküste, die ich schon bereist habe.

 

 

Robert Macfarlane: Karte der Wildnis

(Verlag Ullstein, ISBN-10: 9783548376981)

 

Macfarlane ist ein britischer Literaturwissenschaftler und seit seiner Kindheit auch Abenteurer. In diesem Buch spürt er wilde Orte verteilt über ganz Großbritannien auf, erwandert sie, übernachtet dort usw. Wild heißt allerdings in diesem Fall nicht unbedingt vom Menschen unberührt, sondern z.B. nach Jahrtausenden Besiedlung durch die Clearings verlassen. Historische Hintergründe spielen eine große Rolle und wenn man nur tief genug gräbt, war jeder Sumpf ein Schlachtfeld, jeder Steinkreis die Heimat von Freud und Leid und jeder Wald hat seine Geschichte. Seine Eindrücke beschreibt der Autor mit einer literarischen Qualität und Tiefe, die weit über „Ich war allein in Alaska und jetzt schreib ich’s auf“ hinausgehen. Zurecht ein Bestseller!

 

 

Thor Heyerdahl: Expedition Ra

Im Papyrusboot über den Atlantik

(Meine Ausgabe Verlag Volk und Welt, Berlin. Momentan wohl nur gebraucht zu bekommen, ASIN: B0027TXEVY)

 

Heyerdahls zweite große Expedition mit einem Schilfboot altägyptischer Bauweise über den Atlantik ist weniger bekannt als seine Floßfahrt mit der KonTiki über den Pazifik. Für mich ist diese Reise aber ähnlich faszinierend, vielleicht besonders durch das krachende Scheitern im ersten Versuch.

Auch wenn Heyerdahls Thesen über die Besiedlung der Welt mittlerweile häufig widerlegt sind, begeistert sein mutiger Forscherdrang noch immer. Dem Argument „Kann nicht sein, denn ein Schilfboot bzw. Floß kann keinen Ozean überqueren“ setzte er mit KonTiki und Ra jeweils erfolgreiche Selbstversuche entgegen und führte die experimentelle Archäologie auf ein neues Level.

 

 

Almut Irmcher: Das Schottland-Lesebuch

Impressionen und Rezepte aus Highlands und Lowlands

(ISBN-10: 1499608969)

 

Mal heiter, mal nachdenklich hüpft Irmcher in ihrem Lesebuch von einer schottischen Besonderheit zur nächsten: Karierte Folklore, mehr oder minder blutige Traditionen, Schrullen und Marotten der Schotten werden erzählt, Fabelwesen, Rezepte und Geschichte erläutert und damit Hintergründe beleuchtet, die ein normaler Reiseführer nicht bietet. Ob vor, während oder nach der Fahrt durch die Highlands – das Schottland-Lesebuch hat allerlei Schmankerl im Gepäck.

Und da Corona meinen dritten VW-Bus-Roadtrip durch Alba wohl verhindern wird, ist dieses Buch ein kleiner Ersatz und Erinnerungsanker.

 

 

Carmen Rohrbach: Mein Blockhaus in Kanada

Wie ich mir den Traum von Wildnis und Einsamkeit erfüllte

(Verlag Malik, ISBN-10: 389029507X)

 

Carmen Rohrbach (meines Wissens nach nicht verwandt mit ebenfalls lesenswerten dem Yukon- und Missouri-Paddler Dr. Dirk Rohrbach) verbrachte einige Wintermonate allein und eingeschneit in einem Blockhaus in Kanada. Als Ornithologin und Tierfotografin gilt ihr Augenmerk besonders der Fauna der weißen Wildnis.

Dem Voraus geht jedoch ein langer Überzeugungskampf, um allein und unabhängig das Blockhaus bewohnen zu dürfen, denn für den Besitzer der Hütte zählten ihre Mongoleidurchquerung auf dem Pferderücken oder ihre Flucht übers Meer aus der DDR nichts. Die Frau-Mann-Macht-Thematik kommt ohne jede Polemik aus und beeindruckt gerade deswegen.